Texte, Töne, Bilder im Kopf
Radio machen ist eine wunderbare Sache. Für eine gute Radiogeschichte braucht man nur ein kleines Aufnahmegerät
in der Hand und einen Notizblock samt Stift in der Tasche, das ist das ganze Arbeitszeug.
Bilder entstehen trotzdem, jede gute Radioreportage erzeugt sie mit Texten und Tönen im Kopf des Hörers.
Bilder von großer Suggestion und Verlockung, weil sich ein jeder die eigenen ausmalt.

Livorno - der Hafen der Toleranz
Abendstimmung auf der Terrazza Mascagni, Livornos wundervoller Uferpromenade mit Blick auf die Insel Gorgona. Der Abend ist ein guter Anfang: ein wenig flanieren, ein wenig schauen, dann auf ein Glas in eine der vielen Bars von Livorno. Sie sind immer belebt, Livorno verschenkt keine Stunde. Am nächsten Morgen ist man bereit zu einem ausgedehnten Bummel durch diese immer etwas spröde, aber sehr sympathische Hafenstadt an der Küste der Toscana.
MediaStoria hat sie erkundet.
 

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Livorno 1
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Der klassische Blick auf Livorno: der Fosso reale, der große Graben der alten Befestigung, von der Piazza Cavour aus betrachtet. Elegante Kurve zwischen Neobarock, Neugotik und Nachkriegsbauten.

 
Manchmal sieht Livorno wie ein etwas prosaisches Venedig aus: Ansicht nahe der Fortezza nuova.

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Livorno ist einer von Italiens bedeutendsten Häfen, der größte und wichtigste der Toscana. Von hier laufen die Fähren vor allem Korsika und Sardinien an.

 
Seit einigen Jahren ist Livorno auch zum Kreuzfahrtziel geworden. In der Stadt merkt man nicht allzu viel von Touristenrummel - die meisten steuern sofort den Schiefen Turm in Pisa oder den Dom von Florenz an.

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Die Lotsen der Frühschicht im Hafen von Livorno. Bis zu 9o Schiffsbewegungen haben sie am Tag unter Kommando - rechts Giuseppe Vicchio,
der dem italienischen Innenminister Matteo Salvini wie ein jüngerer Bruder ähnelt.

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Pardo Fornaciari, Spezialist für mittelalterliches Latein und Chronist der Livorneser Linken unter der roten Fahnen der Kommunistischen Partei - an dieser Stelle, dem ehemaligen Teatro San Marco, wurde sie im Jahr 1921 gegründet.

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Hammer, Sichel und der Sowjetstern - auf den Grabplatten des Livorneser Hauptfriedhofes keine Seltenheit. Livorno war ehedem tiefrot, über den
Tod hinaus. Zur Sicherheit brennt aber bei vielen der einstigen Genossen hinter den Blumen auch ein ewiges Licht - man kann ja nie wissen ...


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Livorno ist eine erztolerante Stadt mit einem bunten Völkergemisch und vielerlei Konfessionen - auf dem Friedhof gibt es eigene Abteilungen für Protestanten, Juden, Waldenser und, wie man sieht, für muslimische Türken. Sie ruhen in Frieden, so wie sie friedlich zusammen lebten.

 
Die neue Synagoge, ihre Vorgängerin ging im Bombenhagel unter. Sie galt neben der von Amsterdam als die prächtigste im alten Europa. Juden besassen in Livorno volle Bürgerrechte, es gab niemals ein Ghetto und niemals diskriminierende Kleidervorschriften.

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Bergankunft in Montenero, leicht südlich von Livorno - bedeutendster Wallfahrtsort der Toscana und beliebtes Sonntagsziel der Radsportler.
 
Hoch oben im barocken Prachtaltar: das mittelalterliche Bild der Madonna. Die Wände des Klosters von Montenero hängen voller Votivgaben und -bilder, zum Dank für die wundersame Hilfe der Muttergottes in höchster Not.

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Cacciucco ist der typisch Livorneser Fischeintopf (besser mittags als abends zu essen: Cacciucco ist ein sehr gehaltvolles Rezept). Die Tomaten zu diesem Gericht haben die sephardischen Juden nach Livorno mitgebracht ... wie auch den Kaffee. Ohne Caffé und ohne Tomaten ist Italien heute gar nicht zu denken. Das obige Cacciucco kam übrigens in der Trattoria L‘antica Venezia auf den Tisch.

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Gehört in ein traditionelles Cacciucco livornese und gibt es tagesfrisch in der Markthalle. Die ist, nebenbei bemerkt, eine der größten Markthallen des Kontinents.

 
Der Eingang zum Allerheiligsten aller Livornesi - die Markthalle ist das Paradies der Schlemmer, und das sind sie alle in Livorno, gleich welcher Herkunft, gleich welchen Glaubens. Gut essen, gut leben, dann kann man getrost weitersehen ...

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Livorneser Alleinstellungs-Merkmal in der italienischen Medienlandschaft:
Il Vernacoliere ist Italiens einzige Satirezeitschrift, zum Teil im deftigen Dialekt der
Stadt geschrieben und von fabelhafter Frechheit und Respektlosigkeit.
 
Mario Cardinali - Gründer, Herausgeber, Chefredakteur und Leitartikler des Vernacoliere. Über seine unverschämtesten Schlagzeilen lacht
das ganze Land.

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Roberto „Bobo“ Rondelli und die Damen des Madame Bovar - Rondelli ist ein bekannter Liedermacher, Sänger, Dichter und Schauspieler mit melancholischer Liebe für seine Heimatstadt.
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Das Madame Bovar liegt nur ein paar Schritte vom Teatro Goldoni entfernt
und ist die kleinste der ungezählten Bars von Livorno, keine 2o
Quadratmeter, Toilette inklusive. Vor der Tür gibt es noch zwei winzige
Tischchen und ein paar Stühle. Ab und an greift Bobo Rondelli hier
zur Gitarre und singt seine Lieder.


Hier noch einige nützliche Hinweise und Adressen ....
TORTERIA DA GAGARIN
Via del Cardinale, 24
57123 Livorno, Italien
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Kleine Empfehlung für den schnellen Hunger zwischendurch: Gagarin, Livornos Spezialist für Cinque cinque, gleich gegenüber der Markthalle und gut versteckt - kein Schild, keine Reklame, Gagarin muss man kennen: der unscheinbare Eingang mit dem grauen Perlvorhang.
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Nein, keine Pizza! Torta di ceci, Kichererbsentorte, frisch aus dem Ofen und in ein gesalzenes Focaccia-Brötchen geklappt. Klingt schräg, schmeckt hervorragend. Cinque cinque heißt das ganze, weil in früheren Zeiten die Kichererbsen fünf Lire gekostet haben und das Brötchen ebenfalls fünf - Cinque cinque. Gagarin ist eine Institution in Livorno!
RISTORANTE
CANTINA SENESE
Borgo dei Cappuccini, 95
57123 Livorno, Italien
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Ein paar Schritte vom Fischereihafen entfernt gibt es in der Cantina Senese gute einfache Küche - natürlich auch das klassische Cacciucco. Und (siehe unten) an jeder Ecke eine Bar.

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© alle Bilder MediaStoria/Manfred E. Schuchmann